Vom Faden zum Stoff

Rohe Haspelseide ist durch den noch anhaftenden Seidenleim gelblich, steif, rauh und glanzlos. Vor der Weiterverarbeitung muss Rohseide daher in der Regel noch aufwendig modifiziert werden:

Verstärken: durch Verdrehen einzelner bzw. Verzwirnen mehrerer Fäden

Entbasten: Entfernung des Seidenleims durch Kochen in Seifenlauge. Die Seide wird dadurch weiß, weich, glänzend, elastisch, dehnbar und 25% leichter.

Färben: Mit dem Färben kann eine künstliche Wiederbeschwerung (mittels Metallsalzen, wie z.B. ZnCl) verbunden werden.

Derartig vorbehandelte Seidenfäden können nun verwebt werden. Dabei werden zwei Fadengruppen rechtwinklig miteinander verflochten, eine der ältesten hand­werklichen Tätigkeiten des Menschen. Schon früh (seit der Jungsteinzeit) wurden hierfür Hilfsgeräte – Webstühle – benutzt, die die mühsame Arbeit vereinfachten und beschleunigten:

Weben war eine in allen Kulturen bekannte und bis zur Industrialisierung auch allgemein ausgeübte häusliche Arbeit.

Die vollständige Mechanisierung des Webens war einerseits eine technische Herausforderung, andererseits aber auch ein gesellschaftspolitisches Problem:

Jede technische Verbesserung stieß auf den erbitterten Widerstand der Weberzünfte. So dauerte es fast 100 Jahre, bis sich (etwa ab 1830) der mechanische Webstuhl allgemein durchsetzen konnte.

An seiner Entwicklung waren maßgeblich beteiligt:

der französische Automaten-Erfinder Jaques de Vaukanson (1709-1782) (1745, erster automatischer Webstuhl, Antrieb durch Pferde-Göpel)

der englische Geistliche Dr. Edmond Cartwright (1743-1823) ( 1786, ,,power loom“-Webmaschine, Antrieb: Wattsche Dampfmaschine)

der französische Erfinder Joseph-Marie Jacquard (1752-1834) ( 1805, Lochstreifen-gesteuerter Musterwebstuhl)

 

Jacquard kombinierte verschiedene bewährte Webstuhl-Techniken und ent­wickelte so den später nach ihm benannten Webstuhl zur Serienreife.

Dank seiner genialen Lochstreifen-Steuerung konnten nun Muster beliebiger Länge und Koplexität vollautomatisch gewebt werden. Dieser erste Einsatz der Digitaltechnik macht Jacquard gleichzeitig zu einem Pionier der Daten­verarbeitung.