Seide als Handelsobjekt

Seidenfäden sind einzigartig: extrem dünn, praktisch endlos lang, dehnbar und trotzdem reißfest. Daraus hergestellte Gewebe sind unvergleichlich leicht, glänzend und gut färbbar. Sie isolieren gegen Hitze und Kälte, wirken feuchtigkeitsregulierend und sind verrottungsfest. Verständlich, dass solch ein arbeitsaufwendiges, edles und daher teures Gewebe zunächst auch in seinem Ur­sprungsland China nur den Herrschenden vorbehalten war. Schon lange vor der Zeitenwende nutzten die Chinesen ihre Seide aber auch zur Besänftigung aggressiver Nachbarvölker und als wertvolle Tausch- und Handelsware. Jahrhundertelang wussten sie ihr Seidenmonopol durch strenge Gesetze zu schützen: Der Export von Seidenspinner-Eiern und Maulbeersamen stand unter Todesstrafe!

Besonders zahlungswillige und -kräftige Kunden waren die Römer im fernen Europa. So konnte sich unter Nutzung eines Netzes uralter Karawanenstraßen durch die unwirtlichsten Regionen Asiens eine interkontinentale Handelsroute entwickeln: die legendäre Seidenstraße!

Sie verdankt ihren Namen dem deutschen Geografen Ferdinand von Richthofen (1833-1905), der als erster die Bedeutung der Seide für diese weltweit längste und wichtigste Fernhandelsroute richtig einschätzte. Der Warentransport war auf langsame Tragtiere wie Kamele, Yaks, Maul­tiere und Esel angewiesen und konnte nur in 25 km-Tagesetappen bewältigt werden. Ein Seiden­ballen war von Changan (heute Xi’an) bis Rom wohl vier bis sechs Jahre unterwegs!

Der Seidenexport sicherte China über Jahrhunderte eine positive Handelsbilanz. Mit dem regen Warenhandel zwischen Ost und West erfolgte zwangsläufig aber auch ein Austausch von Ideen: Technisches Know how, Weltanschauungen und Religionen konnten sich so ausbreiten.

Unsere Welt sähe heute sicher ganz anders aus, wenn chinesische Errungenschaften wie Pflug, Buchdruck, Papier und Kompass (aber auch: Schwarzpulver und Pestbakterien!) nicht, oder erst später nach Europa gelangt wären. Andererseits konnte China von den Nachbarn gute Pferde, Wagen und den Buddhismus erwerben.

Im 6. Jahrhundert wurden Seidenspinner-Eier und Maulbeersamen in westliche Richtung aus China herausgeschmuggelt. Daraufhin konnte sich erfolgreicher Seidenbau über Vorderasien bis zum Mittelmeerraum ausbreiten. Dieser Bruch des chinesischen Seidenmonopols, in Verbindung mit der Islamisierung der westasiatischen Anrainerstaten und der allmählichen Ausweitung des europäischen Seehandels bis nach Ostasien ( etwa ab 1700) nahm den Seidenstraßen im Verlauf des Mittelalters ihre frühere Bedeutung.

Erst in jüngster Zeit, nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Öffnung des Ostblocks, werden die alten Seidenstraßen wieder zu wichtigen trans­kontinentalen Handelswegen ausgebaut; sei es illegal, für die Ausfuhr von Drogen aus Afghanistan ( ,,Heroin high way“), oder als legaler Transport-korridor für die Schätze von heute: Erdöl, Erdgas, Konsumgüter und Touristen.

Organisationszentrum für das gigantische Zukunftsprojekt TRACECA (TRAnsportCorridor Europe-Caucasus-Asia) ist Baku, die Hauptstadt des zentral gelegenen und an Erdöl reichen Aserbaidschan.